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Ride Across Britain, Etappe 9: Balblair – John O’Groat

Den heutigen Beitrag beginne ich mit einem Zitat aus dem gestrigen Kommentar unserer lieben Nachbarin Martina, dem Spruch eines unbekannten Autors bzw. einer unbekannten Autorin:

„Deine größte Herausforderung ist nicht jemand anderes. Es sind die Schmerzen in deinen Beinen und die innere Stimme, sie sagt „Ich kann nicht“ – hör nicht auf sie. Du machst einfach weiter und dann hörst du, wie die Stimme flüstert „Ich kann“ – und dann stellst du fest, dass du ein anderer Mensch bist, als du es eben noch dachtest.“

Liebe Martina, woher hast du gewusst, was uns heute noch erwartet? Aber wie immer der Reihe nach. Eine letzte Nacht im Zelt, ein letztes Frühstück um 5 Uhr, ein letztes Mal im dunklen, engen Zelt die Tasche packen und die Sportsachen anziehen und alles für die Etappe vorbereiten (Essen, Trinken, Handy, Kamera, GPS, …). Und dann ging es zu 6 Uhr im Dunkeln an den Start.

Die Wettervorhersage war recht gut, nicht mehr ganz so kalt, nicht mehr ganz so windig, kein Regen. Also wanderten die Regenjacken in die Trikottaschen und die Überschuhe blieben in der Sporttasche. Ein schwerer Fehler, wie sich herausstellen sollte.

Wie so oft ging es zunächst lange und stetig bergauf über kleine Straßen auf eine wahrscheinlich sehr schöne Hochebene. Wie die wirklich aussah wissen wir gar nicht, denn plötzlich waren wir gefühlt in den Wolken, wahrscheinlich aber in dichtem Nebel verschwunden. Dabei wurde es immer feuchter, bis sich das Ganze zu einem lange andauernden, sehr dichten und starken Regen entwickelte. Nun waren wir aber gerade in einer sehr guten Gruppe unterwegs und ich musste nicht einmal die ganze Zeit die Führungsarbeit machen. Also hielten wir nicht gleich an, um wenigstens die Regenjacken überzuziehen, sondern erst, als es schon zu spät war. In den Schuhen schwappte ohnehin schon das Wasser. Und es war kalt, sehr kalt. So kamen wir nach knapp 50km zum ersten Verpflegungspunkt. Ein heißer Tee sorgte nur für wenig Linderung und um nicht völlig auszukühlen, fuhren wir weiter. Und jetzt kommt der Spruch oben ins Spiel. Die Stimme, die sagte, „ich kann nicht mehr, wie soll ich jemals wieder trocken und warm werden, es sind noch fast 120km, also fast 6 Stunden“ wurde laut, sehr laut! Und weit und breit keine Sonne, nur Nässe und Kälte von oben und unten. Aber – ihr ahnt es – wir haben nicht auf sie gehört. Irgendwann hörte der Regen auf, die Sonne kam zeitweise durch, und zumindest der Oberkörper trocknete langsam. Vorsichtiger Optimismus stellte sich ein, zumal wir in der vielleicht landschaftlich schönsten Gegend der gesamten Tour angekommen waren, der Route zum Betty Hill. Und ab jetzt gibt es sogar Fotos. Das erste kann ich euch nicht vorenthalten, auch wenn es nicht gerade vorteilhaft für mich ist.

Wir waren an der Nordküste Schottlands angekommen und hatten ab jetzt herrliche Ausblicke.

Ab jetzt ging es auf der Northern Coast Road 500 Richtung John O’Groat. Das Tief war überwunden, es rollte wieder und der letzte Pit Stop 50km vor dem Ziel brachte nochmal Kaffee, Sandwiches und viele süße Teilchen.

Die Fahrt zum Ziel war jetzt nicht leicht, aber am Ende nur noch Kopfsache. Die tolle Landschaft half sehr, die Zeit nicht zu lang werden zu lassen.

Dann waren wir im Ziel. Nach knapp 1600km in 9 Tagen.

Das zu verarbeiten, wird noch eine Weile dauern. Aber die Erkenntnis, dass man sehr viel schaffen kann, wenn man es wirklich will und Hindernisse auf dem Weg, wenn sie sich auch noch so hoch aufbauen, eines nach dem anderen wegräumen kann und sich nicht vor der Höhe des Berges der wirklichen und eingebildeten Schwierigkeiten abhalten lassen darf, bleibt.

Jetzt sind wir eine Nacht in John O’Groat und unser Hotel ist ganz in der Nähe des Zieleinlaufes.

Der nördlichste Punkt Schottlands ist wirklich malerisch. Die Orkney Inseln sind nur 8 Meilen entfernt und gut zu sehen. Hier die ersten Impressionen.

Bevor es morgen weiter geht, werden wir noch einen kurzen Spaziergang an die Küste machen. Vorher genießen wir aber die erste Nacht in einem Bett.

Morgen wird hier das gesamte öffentliche Leben auf Leben auf Null runter gefahren, da die Queen beigesetzt wird. Natürlich ist das ein Feiertag und zwar so sehr, dass unsere Reiseplanung auf den Kopf gestellt wurde. Unglaublicher Weise bekommen wir morgen einfach nicht den bestellten und auch keinen anderen Mietwagen. Unser Reisebüro hat sich sehr ins Zeug gelegt, aber es geht nichts. Um die Story abzukürzen: wir werden morgen hier abgeholt und in ein sehr schönes Hotel in der Nähe von Inerness gebracht. Dort bleiben wir 2 Nächte und bekommen dann am Mittwoch einen Mietwagen. Dadurch fallen die beiden ersten geplanten Stationen an der Nordküste weg. Inzwischen haben wir uns damit angefreundet. Der Vorteil ist nämlich, dass wir zur Ruhe kommen und erstmal zwei Nächte an einem Ort bleiben. Aber verstehen kann und muss man die Briten nicht.

Was hier morgen nun wirklich passiert und wie es uns ohne Rad unter dem Hintern ergeht, erfahrt ihr bald.

P.S. Vielen Dank für die vielen schönen und motivierenden Kommentare. Das hat uns ganz viel Spaß bereitet und sehr geholfen! Weiter so bitte.

5 Comments

  1. Katha
    Katha 18. September 2022

    Größten Respekt für diese Leistung an euch beide. Gute Erholung!!!

  2. Ole
    Ole 18. September 2022

    Hut ab vor dieser, Eurer Leistung! Das ist schon verrückt. Genießt etwas die sich ( hoffentlich) einstellende Entspannung. Es war sehr cool via dieses Blogs dabei zu sein- Danke dafür! Viele Grüße an Euch von Ole und Claudia

    • Uwe Joachim
      Uwe Joachim 18. September 2022

      Herzlichen Glückwunsch, 1600 km in 9 Tagen, da hat so mancher Profi zu tun

  3. Martina Schaub
    Martina Schaub 19. September 2022

    „Je schwerer der Sieg, desto größer die Freude am Sieg“, sagte der bekannte Fußballer Pelé.
    Naja, bis die Freude und das Erfolgserlebnis so richtig bei euch ankommen, wird es wohl wirklich noch etwas dauern. Wie ihr sagt, gibt es da ganz viel zu verarbeiten. Aber spätestens im Schaukelstuhl könnt ihr euch eure Abenteuer abrufen und entspannt, mit viel Freude daran, nochmals durchleben. Und ihr beide werdet immer Themen haben, über die ihr in ruhigen Zeiten reden könnt. Ich gebe zu, manchmal hat man sich schon, gelinde gesagt, so seine Gedanken gemacht, ob das auch alles gut gehen wird. Aber ihr seid sehr gut trainiert, vorbereitet und auch mit großer Erfahrung gestartet und habt deshalb auch alles so bravourös gemeistert und euch gebührt größter Respekt. Ihr seid ein Vorbild für uns „Oldies“ und zeigt uns, dass auch für lebensältere Menschen vieles möglich ist und man sich ruhig an große Herausforderungen herantrauen sollte. Jeder natürlich nach seinen persönlichen Voraussetzungen. 😉 Getreu dem Spruch: „Das Alter ist kein Hindernis. Es ist eine Begrenzung, die du dir selbst setzt.“ (Jörg Löhr, Handballnationalspieler)

    Genießt nun die Ruhe und versucht jetzt erstmal „runterzufahren“, das wird gar nicht so leicht sein.
    Insofern vielleicht ganz gut, dass euch eine kleine Zwangspause verordnet wurde.
    Zumindest ist euch aber die überbordende Berichterstattung seit dem Tod der Queen erspart geblieben. Selbst seriöse Nachrichtensender haben sich nicht mehr eingekriegt. Mehr an dieser Stelle dazu nicht, denn für uns seid ihr die Hauptpersonen, mit einer wirklich respektablen Leistung. 👍
    Viel Spaß und gute Erholung!

  4. Margit Rosenlöcher
    Margit Rosenlöcher 20. September 2022

    Glückwunsch, Mann von der Deutschen 😉, lieber Steffen, zum Erfolg, zum Durchhalten und zu dem schönen Blog.
    Trotz eigener Aktivitäten wundert man sich immer über die verrückten der Anderen 😃. „Very British“ passt ja in diesem Fall als Antwort am besten.

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